Landwirte werden Energiewirte
Seit das Erneuerbare-Energien-Gesetz in Kraft ist, lohnt es sich für Bauern, in Biogasanlagen zu investieren. Schon in diesem Jahr soll die 1.000. Anlage ans Netz gehen. Die Energie aus Gülle und Hühnermist könnte die Hälfte des Atomstroms ersetzen von BERNWARD JANZING
Selten hat die Landwirtschaft vom Gesetzgeber so viel Unterstützung erfahren: Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz haben die Bauern ein zweites Standbein bekommen. Seit April ist auch für Strom aus Biomasse wie im Solarsektor eine attraktive Mindestvergütung festgeschrieben. Damit sind Biogasanlagen wirtschaftlich geworden. Kein Wunder, dass die Landwirte wie wild in das neue Geschäft einsteigen.
Das Ganze funktioniert so: Die auf dem Hof anfallende Gülle wird in einem speziellen Tank vergoren und mit dem entstehenden Gas Strom und Wärme erzeugt. Gerade erst haben vier Landwirte in Ettling bei Landau/Isar die größte landwirtschaftliche Gemeinschaftsanlage Bayerns in Betrieb genommen. Aus Gülle, Hühnermist und Reststoffen aus der Gemüseproduktion wollen sie jährlich 2 Millionen Kilowattstunden Strom produzieren. Damit erzielen sie - bei 1,5 Millionen Mark Investitionen - Einnahmen von fast 400.000 Mark pro Jahr. Das Verfahren ist inzwischen technisch ausgereift.
Lange Zeit hatten Landwirte eine gute Portion Bastlermentalität mitbringen müssen, um eine Biogasanlage betreiben zu können. Das hat sich inzwischen grundlegend gerändert. Firmen wie etwa die Schmack Biogas GmbH aus dem bayrischen Burglengenfeld, Erbauerin auch der Ettlinger Anlage, werben bereits mit dem Prädikat "schlüsselfertig": Vom Gärtank bis zum nachgeschalteten Blockheizkraftwerk werden die Anlagen komplett aus einer Hand geliefert. Den Landwirten bleibt im Betrieb der Anlage nur noch ein kurzer täglicher Kontrollgang.
Fast 800 Biogasanlagen gibt es zurzeit in Deutschland, davon ist ein Viertel allein in den vergangenen zwölf Monaten ans Netz gegangen. Noch in diesem Jahr wird die 1.000. Anlage in Betrieb gehen, prophezeit der Fachverband Biogas. Noch sind Bayern und Schwaben bei der Biogasnutzung führend. Aber: "Norddeutschland holt langsam auf."
Marktführer Schmack mit inzwischen 40 Mitarbeitern strebt für dieses Jahr einen Umsatz von 12 Millionen Mark an - eine Verdopplung gegenüber dem Vorjahr. Ähnlich dynamisch könnte es weitergehen. Denn immerhin schätzt der Fachverband das Potential in Deutschland auf 100.000 Anlagen. Die Hälfte des deutschen Atomstroms sei damit zu ersetzen.

Neben der technischen Entwicklung, die dem Biogas den Stallgeruch der Öko-Tüftelei genommen, und ihm stattdessen ein High-Tech-Image verpasst hat, sind es wirtschaftliche Gründe, die immer mehr Landwirte zum Stromerzeuger werden lassen. Denn gute Biogasanlagen werfen heute guten Profit ab. Zum einen gibt es seit Herbst vergangenen Jahres ein Förderprogramm der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) auf Basis eines zinsgünstigen Kredits. Zum anderen verschafft das Erneuerbare-Energien-Gesetz dank der garantierten Stromeinspeisevergütung von 20 Pfennig je Kilowattstunde den Landwirten langfristig stabile Rahmenbedingungen - für 20 Jahre nämlich. Unabhängig von jedem möglichen Regierungswechsel werden die Konditionen garantiert.
50 Kühe gelten als Minimum, um einen wirtschaftlichen Betrieb einer Biogasanlage zu realisieren. Wer diese Schwelle erreicht, kann sich auf beachtliche Erträge freuen: Jede Kuh - Fachjargon: Großvieheinheit - bringt im Jahr gut 1.000 Kilowattstunden Strom und zusätzlich den doppelten Ertrag an Wärmeenergie. Diese reicht in der Regel aus, um den Hof komplett zu beheizen. Biogas wird damit zu einer ernst zu nehmenden Energiequelle: Ein Vollerwerbslandwirt mit 100 Kühen deckt problemlos den Strombedarf von 30 Durchschnittshaushalten. Freunde des Ökostroms lieben das Biogas besonders, weil es - neben der Wasserkraft aus Stauseen - die einzige erneuerbare Energie ist, die sich speichern lässt. Um das wertvolle Gas noch wirtschaftlicher produzieren zu können, schließen sich häufig auch Landwirte zusammen, und betreiben Gemeinschaftsanlagen. Darin werden neben Gülle auch gerne Bioabfälle sowie nachwachsende Rohstoffe von landwirtschaftlichen Stilllegungsflächen verarbeitet.
Ganz nebenbei erzielen die Landwirte durch die Vergärung auch eine Wertsteigerung ihrer Gülle: Sie wird als Dünger veredelt. Die Pflanzen auf den Äckern können die Nährstoffe weitaus besser aufnehmen, und auch die Gefahr einer Grundwasserbelastung durch die Fäkalien ist gebannt. In Baden-Württemberg wird daher bereits diskutiert, vergorene Gülle auch im Wasserschutzgebiet zur Ausbringung zuzulassen - ein weiterer Schub für Biogas wäre damit absehbar.
Das taz-Journal "Die Energiewende" erscheint am 26. 7. 2000 taz Nr. 6197 vom 20.7.2000 Seite 8 Wirtschaft und Umwelt 154 Zeilen TAZ-Bericht BERNWARD JANZING © Contrapress media GmbH www.taz.de